Wortlautauszüge in einer dpa-Übersetzung aus der Rede von US-Präsident Barack Obama in Oslo, wo ihm am Donnerstag der Friedensnobelpreis 2009 überreicht wurde.
"Ich nehme diese Ehre mit tiefer Dankbarkeit und großer Demut entgegen. Es ist eine Auszeichnung, die unsere größten Hoffnungen anspricht, dass ungeachtet aller Grausamkeiten und Mühsal in der Welt unsere Handlungen doch von Bedeutung sind, dass wir nicht nur Gefangene unseres Schicksals sind. (...)
Ich wäre nachlässig, wenn ich die verständliche Kontroverse darüber nicht wahrnehmen würde, die Ihre großzügige Entscheidung erzeugt hat. Teilweise liegt das daran, dass ich noch am Anfang und nicht am Ende meiner Arbeit auf der Weltbühne stehe. Verglichen mit einigen Großen der Geschichte, die diese Auszeichnung erhalten haben - Schweitzer und King, Marshall und Mandela -, sind meine Verdienste gering. (...)
Doch die schwerwiegendste Tatsache, die meinen Empfang dieses Preises begleitet, ist die, dass ich der Oberbefehlshaber der Armee einer Nation bin, die in zwei Kriegen steckt. Einer dieser Kriege flaut gerade ab. Der andere ist ein Konflikt, den Amerika nicht gesucht hat; einer, in dem wir von 43 andere Ländern - einschließlich Norwegen - begleitet werden, in dem Bestreben, uns und alle anderen Länder vor weiteren Angriffen zu schützen.
Wir sind weiter im Krieg, und ich bin verantwortlich für die Stationierung tausender junger Amerikaner, die in einem fernen Land kämpfen. Einige werden töten. Andere werden getötet werden. Und deshalb komme ich mit einem ausgeprägten Sinn dafür hierher, wie hoch die Kosten eines bewaffneten Konflikts sind - bewegt von den schwierigen Fragen über die Beziehung zwischen Krieg und Frieden und unser Bemühen, das eine durch das andere abzulösen. (...)
Die Welt erschauert nicht länger unter der Bedrohung eines Krieges zwischen nuklearen Supermächten, aber die Verbreitung von Waffen kann das Risiko der Katastrophe erhöhen. Terrorismus existiert seit langem, doch die moderne Technologie ermöglicht es einer kleinen Gruppe von Menschen in ihrer rasenden Wut, Unschuldige in einem erschreckenden Ausmaß zu ermorden. (...)
In den Kriegen von heute sterben mehr Zivilisten als Soldaten; sie säen die Saat künftiger Konflikte, schwächen die Volkswirtschaften, brechen Zivilgesellschaften entzwei, vermehren die Zahl der Flüchtlinge und versetzen Kinder in Angst und Schrecken.
Ich bringe heute keine Lösung für die Probleme des Krieges mit. Was ich weiß, ist, dass es, um diesen Problemen zu begegnen, gleichermaßen einer Vision und harter Arbeit bedarf, damit wir das Handeln der mutigen Männer und Frauen der vergangenen Jahrzehnte fortführen.
Wir müssen die harte Wahrheit anerkennen, dass wir während unseres Lebens gewaltsame Konflikte nicht ausmerzen werden. Es wird Zeiten geben, in denen Nationen - allein oder gemeinsam - den Einsatz ihres Militärs nicht nur für nötig halten, sondern auch für moralisch gerechtfertigt. (...)
Ich sehe die Welt, wie sie ist, und ich kann die Augen nicht vor den Bedrohungen für das amerikanische Volk verschließen. Es steht fest: Das Böse existiert in der Welt. Eine gewaltfreie Bewegung hätte Hitlers Truppen nicht aufhalten können. Verhandlungen können die Anführer der Al Kaida nicht dazu bringen, ihre Waffen niederzulegen. Zu sagen, dass der Einsatz des Militärs manchmal nötig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus. Es ist die Wahrnehmung der Geschichte, der Unzulänglichkeiten der Menschheit und der Begrenztheit der Vernunft. (...)
Wo der Einsatz der Armee nötig ist, haben wir ein moralisches und strategisches Interesse, uns an einen Verhaltenskodex zu halten. Und selbst dort, wo wir auf einen teuflischen Feind stoßen, der sich an keine Regeln hält, glaube ich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Fahnenträger in der Kriegsführung bleiben müssen. Das unterscheidet uns von unseren Gegnern. Das ist Quell unserer Stärke. Deshalb habe ich Folter verboten. Deshalb habe ich angeordnet, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Und deshalb habe ich Amerikas Verpflichtung bestätigt, sich an die Genfer Konventionen zu halten. (...)
Ein weiterer Punkt ist die Art des Friedens, den wir suchen. Denn Frieden ist nicht nur die Abwesenheit des sichtbaren Konflikts. Nur ein Frieden, der auf den unveräußerlichen Rechten und der Würde des Einzelnen beruht, kann ein wirklicher dauerhafter Frieden sein. (...) Ein gerechter Frieden beinhaltet nicht nur zivile und politische Rechte - er muss wirtschaftliche Sicherheit garantieren. Wahrer Frieden heißt nicht nur, frei von Angst zu sein, sondern frei von Mangel.(...)
Es ist ohne Zweifel richtig, dass Entwicklung nicht ohne Sicherheit stattfinden kann. Es stimmt auch, dass es keine Sicherheit geben kann, wo Menschen nicht genug zu essen haben oder sauberes Wasser oder die Medizin, die sie zum Überleben brauchen.
Angesichts des schwindelerregenden Tempos der Globalisierung und der Modernisierung ist es keine Überraschung, dass die Menschen Angst haben, das zu verlieren, woraus sie ihre eigene Identität ziehen - ihre Rasse oder Ethnie und vielleicht am stärksten ihre Religion. An einigen Orten hat diese Angst zu Konflikten geführt. Und manchmal hat es den Anschein, als bewegten wir uns rückwärts. Wir sehen das im Nahen Osten, wo sich der Konflikt zwischen Arabern und Juden zu erhärten scheint. Wir sehen das in allen Ländern, die durch ethnische Grenzen entzweit sind. (...)
Lasst uns nach einer Welt streben, wie sie sein sollte - danach, dass der Funken des Göttlichen sprüht, der unsere Seelen nach wie vor berührt. Irgendwo heute, im Hier und Jetzt, sieht sich ein Soldat besiegt, aber er setzt sich weiter hart für den Frieden ein. Irgendwo heute, in dieser Welt, sieht sich eine junge Demonstrantin mit der Brutalität ihrer Regierung konfrontiert, aber hat den Mut, weiterzumarschieren. Irgendwo jetzt nimmt sich eine Mutter, die von Armut gestraft ist, die Zeit ihrem Kind beizubringen, dass die grausame Welt auch einen Platz für seine Träume hat."
Wir müssen die harte Wahrheit anerkennen, dass wir während unseres Lebens gewaltsame Konflikte nicht ausmerzen werden. Es wird Zeiten geben, in denen Nationen - allein oder gemeinsam - den Einsatz ihres Militärs nicht nur für nötig halten, sondern auch für moralisch gerechtfertigt. (...)
Ich sehe die Welt, wie sie ist, und ich kann die Augen nicht vor den Bedrohungen für das amerikanische Volk verschließen. Es steht fest: Das Böse existiert in der Welt. Eine gewaltfreie Bewegung hätte Hitlers Truppen nicht aufhalten können. Verhandlungen können die Anführer der Al Kaida nicht dazu bringen, ihre Waffen niederzulegen. Zu sagen, dass der Einsatz des Militärs manchmal nötig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus. Es ist die Wahrnehmung der Geschichte, der Unzulänglichkeiten der Menschheit und der Begrenztheit der Vernunft. (...)
Wo der Einsatz der Armee nötig ist, haben wir ein moralisches und strategisches Interesse, uns an einen Verhaltenskodex zu halten. Und selbst dort, wo wir auf einen teuflischen Feind stoßen, der sich an keine Regeln hält, glaube ich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Fahnenträger in der Kriegsführung bleiben müssen. Das unterscheidet uns von unseren Gegnern. Das ist Quell unserer Stärke. Deshalb habe ich Folter verboten. Deshalb habe ich angeordnet, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Und deshalb habe ich Amerikas Verpflichtung bestätigt, sich an die Genfer Konventionen zu halten. (...)
Ein weiterer Punkt ist die Art des Friedens, den wir suchen. Denn Frieden ist nicht nur die Abwesenheit des sichtbaren Konflikts. Nur ein Frieden, der auf den unveräußerlichen Rechten und der Würde des Einzelnen beruht, kann ein wirklicher dauerhafter Frieden sein. (...) Ein gerechter Frieden beinhaltet nicht nur zivile und politische Rechte - er muss wirtschaftliche Sicherheit garantieren. Wahrer Frieden heißt nicht nur, frei von Angst zu sein, sondern frei von Mangel.(...)
Es ist ohne Zweifel richtig, dass Entwicklung nicht ohne Sicherheit stattfinden kann. Es stimmt auch, dass es keine Sicherheit geben kann, wo Menschen nicht genug zu essen haben oder sauberes Wasser oder die Medizin, die sie zum Überleben brauchen.
Angesichts des schwindelerregenden Tempos der Globalisierung und der Modernisierung ist es keine Überraschung, dass die Menschen Angst haben, das zu verlieren, woraus sie ihre eigene Identität ziehen - ihre Rasse oder Ethnie und vielleicht am stärksten ihre Religion. An einigen Orten hat diese Angst zu Konflikten geführt. Und manchmal hat es den Anschein, als bewegten wir uns rückwärts. Wir sehen das im Nahen Osten, wo sich der Konflikt zwischen Arabern und Juden zu erhärten scheint. Wir sehen das in allen Ländern, die durch ethnische Grenzen entzweit sind. (...)
Lasst uns nach einer Welt streben, wie sie sein sollte - danach, dass der Funken des Göttlichen sprüht, der unsere Seelen nach wie vor berührt. Irgendwo heute, im Hier und Jetzt, sieht sich ein Soldat besiegt, aber er setzt sich weiter hart für den Frieden ein. Irgendwo heute, in dieser Welt, sieht sich eine junge Demonstrantin mit der Brutalität ihrer Regierung konfrontiert, aber hat den Mut, weiterzumarschieren. Irgendwo jetzt nimmt sich eine Mutter, die von Armut gestraft ist, die Zeit ihrem Kind beizubringen, dass die grausame Welt auch einen Platz für seine Träume hat."
------------------------------ Original in English
"Your Majesties, Your Royal Highnesses, Distinguished Members of the Norwegian Nobel Committee, citizens of America, and citizens of the world:
I receive this honor with deep gratitude and great humility. It is an award that speaks to our highest aspirations -- that for all the cruelty and hardship of our world, we are not mere prisoners of fate. Our actions matter, and can bend history in the direction of justice.
And yet I would be remiss if I did not acknowledge the considerable controversy that your generous decision has generated. In part, this is because I am at the beginning, and not the end, of my labors on the world stage. Compared to some of the giants of history who have received this prize -- Schweitzer and King; Marshall and Mandela -- my accomplishments are slight. And then there are the men and women around the world who have been jailed and beaten in the pursuit of justice; those who toil in humanitarian organizations to relieve suffering; the unrecognized millions whose quiet acts of courage and compassion inspire even the most hardened of cynics. I cannot argue with those who find these men and women -- some known, some obscure to all but those they help -- to be far more deserving of this honor than I.
But perhaps the most profound issue surrounding my receipt of this prize is the fact that I am the Commander-in-Chief of a nation in the midst of two wars. One of these wars is winding down. The other is a conflict that America did not seek; one in which we are joined by forty three other countries -- including Norway -- in an effort to defend ourselves and all nations from further attacks.
Still, we are at war, and I am responsible for the deployment of thousands of young Americans to battle in a distant land. Some will kill. Some will be killed. And so I come here with an acute sense of the cost of armed conflict -- filled with difficult questions about the relationship between war and peace, and our effort to replace one with the other.
These questions are not new. War, in one form or another, appeared with the first man. At the dawn of history, its morality was not questioned; it was simply a fact, like drought or disease -- the manner in which tribes and then civilizations sought power and settled their differences.
Over time, as codes of law sought to control violence within groups, so did philosophers, clerics, and statesmen seek to regulate the destructive power of war. The concept of a "just war" emerged, suggesting that war is justified only when it meets certain preconditions: if it is waged as a last resort or in self-defense; if the force used is proportional, and if, whenever possible, civilians are spared from violence.
For most of history, this concept of just war was rarely observed. The capacity of human beings to think up new ways to kill one another proved inexhaustible, as did our capacity to exempt from mercy those who look different or pray to a different God. Wars between armies gave way to wars between nations ? total wars in which the distinction between combatant and civilian became blurred. In the span of thirty years, such carnage would twice engulf this continent. And while it is hard to conceive of a cause more just than the defeat of the Third Reich and the Axis powers, World War II was a conflict in which the total number of civilians who died exceeded the number of soldiers who perished.
In the wake of such destruction, and with the advent of the nuclear age, it became clear to victor and vanquished alike that the world needed institutions to prevent another World War. And so, a quarter century after the United States Senate rejected the League of Nations -- an idea for which Woodrow Wilson received this Prize -- America led the world in constructing an architecture to keep the peace: a Marshall Plan and a United Nations, mechanisms to govern the waging of war, treaties to protect human rights, prevent genocide, and restrict the most dangerous weapons.
In many ways, these efforts succeeded. Yes, terrible wars have been fought, and atrocities committed. But there has been no Third World War. The Cold War ended with jubilant crowds dismantling a wall. Commerce has stitched much of the world together. Billions have been lifted from poverty. The ideals of liberty, self-determination, equality and the rule of law have haltingly advanced. We are the heirs of the fortitude and foresight of generations past, and it is a legacy for which my own country is rightfully proud.
A decade into a new century, this old architecture is buckling under the weight of new threats. The world may no longer shudder at the prospect of war between two nuclear superpowers, but proliferation may increase the risk of catastrophe. Terrorism has long been a tactic, but modern technology allows a few small men with outsized rage to murder innocents on a horrific scale.
Moreover, wars between nations have increasingly given way to wars within nations. The resurgence of ethnic or sectarian conflicts; the growth of secessionist movements, insurgencies, and failed states; have increasingly trapped civilians in unending chaos. In today's wars, many more civilians are killed than soldiers; the seeds of future conflict are sown, economies are wrecked, civil societies torn asunder, refugees amassed, and children scarred.
I do not bring with me today a definitive solution to the problems of war. What I do know is that meeting these challenges will require the same vision, hard work, and persistence of those men and women who acted so boldly decades ago. And it will require us to think in new ways about the notions of just war and the imperatives of a just peace.
We must begin by acknowledging the hard truth that we will not eradicate violent conflict in our lifetimes. There will be times when nations -- acting individually or in concert -- will find the use of force not only necessary but morally justified.
I make this statement mindful of what Martin Luther King said in this same ceremony years ago -- "Violence never brings permanent peace. It solves no social problem: it merely creates new and more complicated ones." As someone who stands here as a direct consequence of Dr. King's life's work, I am living testimony to the moral force of non-violence. I know there is nothing weak, nothing passive, nothing naive in the creed and lives of Gandhi and King.
But as a head of state sworn to protect and defend my nation, I cannot be guided by their examples alone. I face the world as it is, and cannot stand idle in the face of threats to the American people. For make no mistake: evil does exist in the world. A non-violent movement could not have halted Hitler's armies. Negotiations cannot convince al Qaeda's leaders to lay down their arms. To say that force is sometimes necessary is not a call to cynicism -- it is a recognition of history; the imperfections of man and the limits of reason."