Mittwoch, 28. Juli 2010

Cannabis-Anbau ernährte Familie

Dorothea Gundling

52-jähriger Vietnamese „verdiente“ mit seiner Rauschgift-Plantage bis zu 5000 Euro monatlich
Vor dem Langericht Ellwangen muss sich seit Mittwoch ein 52 Jahre alter gebürtiger Vietnamese wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten. Laut Anklage soll der Familienvater in Elchingen in einem Gebäude an der Ortsdurchfahrt in Richtung Neresheim, eine florierende Cannabisplantage mit rund 500 Pflanzen betrieben haben.

  • Ellwangen/Elchingen. Nach den Worten von Staatsanwalt Armin Burger dürfte der 52-Jährige mit der alle drei Monate anstehenden Ernte der später zu Marihuana verarbeiteten Pflanzen bis zu 5000 Euro im Monat verdient haben. Über den gesamten Zeitraum seien es 134 000 Euro gewesen, die der Angeklagte für die Aufzucht und Pflege von seinen bislang namentlich nicht bekannten Landsleuten erhalten habe, rechnet Burger vor. Das im Erdgeschoss eingerichtete chinesische Lokal „Asia Garden“ habe lediglich der Tarnung gedient.

Der aus der Haft vorgeführte Mann, der kein Wort Deutsch spricht und dessen Aussage deshalb von einem Dolmetscher übersetzt werden musste, gab auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Gerhard Ilg lediglich zu, dass sich im Dachgeschoss des Gebäudes in Elchingen in den genannten Zeitraum eine Cannabis-Plantage befunden habe. Direkt betrieben habe er diese jedoch nicht, ließ der Angeklagte gegenüber dem Gericht durchblicken. Er habe die Plantage lediglich regelmäßig mit Wasser versorgt. Alles andere, wie den Um- und Einbau der Lüftungsanlagen, die komplizierte Lichtzufuhr sowie das Heranschaffen der Pflanzen, das spätere Umtopfen in größere Behältnisse, das Ernten und den Abtransport auf den Drogenmarkt nach Berlin hätten im Wesentlichen aus den Niederlanden angereiste Vietnamesen übernommen. Einige dieser Vietnamesen hätten ihn Monate zuvor öfters in seinem sehr schlecht laufenden Chinarestaurant in Bopfingen aufgesucht und ihm schließlich den Job als Cannabiszüchter auf dem Härtsfeld angeboten. Um damit so wenig wie möglich aufzufallen, sei er nach Neresheim-Elchingen gezogen.

Er sei aus Finanznot in das Geschäft eingestiegen, beteuerte der Familienvater immer wieder. Er habe nicht mehr gewusst, wie er seine fünfköpfige Familie sonst noch hätte ernähren sollen. Ihm sei zwar bewusst gewesen, dass die Errichtung einer Cannabisplantage illegal ist, sagte der sehr schmächtige, dem äußeren Anschein nach fast schon ein wenig zart wirkende Angeklagte. Gedanklich länger beschäftigt habe er sich damit jedoch nicht: „Marihuana ist nicht so gefährlich wie Opium, das die Menschen sterbenskrank machen kann“.

Auf den Hinweis von Gerhard Ilg, dass sich ein umfassenderes Geständnis – unter anderem mit der Namensnennung der an dem Anbau und dem Weitervertrieb der Cannabispflanzen beteiligten Vietnamesen – strafmildernd auf das Urteil auswirken könnte, wurde der ansonsten sehr redselige Angeklagte plötzlich ausgesprochen wortkarg. Er sei nur ein „sehr feines Glied“ in der Kette und könne zu den Namen seiner Landsleute gar nichts sagen, versuchte er sich gegenüber dem Gericht zu verteidigen.

Im weiteren Verlauf des ersten Prozesstages wurden von der Polizei im Februar 2010 erstellte Videoaufaufnahmen vom Innern des Gebäudes gezeigt, in dessen Obergeschoss die Cannabispflanzen zur Weiterverarbeitung in Marihuana gezüchtet wurden. Beim Öffnen der Tür standen die Beamten mitten im Winter vor einem wahren Meer an gesunden, kräftigen, wunderschön blühenden Cannabispflanzen. Der Prozess wird heute mit der Vernehmung von insgesamt 17 Zeugen fortgesetzt. 

© Schwäbische Post 28.07.2010
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