Von Severin Weiland
AP - FDP-Minister Rösler im Kabinett: Zweitjüngster Minister am Tisch von Angela Merkel
Gesundheitsprämie, Kassenzusatzbeiträge - und ewig nervt die Pharmalobby. Das Ressort von Bundesminister Philipp Rösler gilt als eines der schwierigsten. Bis heute ist unklar, wie weit der FDP-Jungpolitiker bei den anstehenden Reformen wirklich gehen will.
Kurz nach seinem Amtsantritt war Philipp Rösler ein vielgefragter Mann. Zur Schweinegrippe gab der Arzt viele Interviews. Er beschwichtigte, er verbreitete keine Panik. Er tat das, was man von einem besonnenen Mediziner erwartet. Er spielte seine neue Rolle gut. FDP-Parteichef Guido Westerwelle jubelte: Endlich sei wieder ein Mann im Bundesgesundheitsministerium, der was vom Fach verstehe - im Gegensatz zur Vorgängerin Ulla Schmidt.
Doch als die Schweinegrippe als Großthema langsam aus den Medien verschwand, da war auch vom 36-Jährigen kaum noch etwas zu hören.
Als sei Rösler abgetaucht.
Der 36-Jährige hat sich nicht danach gedrängt, das Amt zu übernehmen. Westerwelle schob es ihm zu. Um einen Widersacher in den eigenen Reihen ruhigzustellen, sagen manche. Wenn das der Plan des FDP-Vorsitzenden war, dann ist er bislang aufgegangen.
Rösler hat unter den fünf FDP-Ministern die undankbarste Aufgabe übernommen. Westerwelle darf als Außenminister punkten, Dirk Niebel in der Entwicklungshilfe Gelder verteilen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Ressort Justiz die Bürgerrechte verteidigen, Rainer Brüderle als Wirtschaftsmann dem Mittelstand helfen. Rösler wird wohl oder übel anecken: Bei der Pharmaindustrie, den Lobbygruppen, der Opposition, am Ende bei der Bevölkerung. Gesundheitspolitik ist ein Minenfeld. Der Radius, auf dem man sicher steht, ist denkbar eng.
Ausgerechnet ein Großprojekt soll er anpacken, an dem einst sogar Angela Merkel hing, bevor sie allerdings Kanzlerin wurde - die Gesundheitsprämie. Nur, dass die CDU-Vorsitzende heute lieber nicht mehr so gerne davon redet und CSU-Chef Seehofer eine Kopfpauschale am liebsten verhindern will. Das Projekt ist in den Umfragen unbeliebt, 90 Prozent der Deutschen sind in der gesetzlichen Krankenkasse. Röslers Rhetorik läuft denn auch so: Bloß nicht die Leute verschrecken! Immer und immer wieder betont er, dass es lediglich um einen "Einstieg" in die Prämie gehe, dass für ein solches Großprojekt eine Legislaturperiode nicht ausreiche. Und wer die Prämie nicht zahlen könne, solle einen Ausgleich aus dem Steuersystem bekommen. Rösler will eine sympathische, eine sozialere FDP.
Röslers Personalentscheidungen: Helle Freude bei der Opposition
Wohin die Reise wirklich gehen, wie die Prämie ausgestaltet, wie hoch und wann sie kommen wird - auf alle diese Fragen gibt Rösler bislang keine Antwort. Denn die schwarz-gelbe Koalition hat das heikle Thema einer Regierungskommission anvertraut, die bislang noch nicht bestellt ist. Und wenn sie bald zusammenkommt, soll sie erst noch ein Konzept erarbeiten. Im Mai ist ohnehin noch die Landtagswahl in NRW. Bis dahin ist Stillhalten angesagt.
Und so ist Rösler notgedrungen inhaltlich bislang blass geblieben. Der FDP-Politiker organisierte erst einmal sein Haus. Für Aufregung sorgte die Bestellung von Christian Weber zum Abteilungsleiter - einem Mann, der aus der Privatversicherungsbranche kommt. Auch eine andere Personalie wurde ihm angekreidet - die Ablösung des pharmakritischen Leiters des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Peter Sawicki.
Plötzlich hat Rösler ein Problem: Er gilt manchen als Klientelpolitiker. "Das ist Unfug. Bei meinen Personalentscheidungen steht die Qualifikation im Vordergrund", sagte er jüngst in einem Interview.
Bei der Opposition hat der Liberale mit seinen ersten Personalentscheidungen helle Freude ausgelöst. Für sie sind es Beispiele einer Politik, die sich künftig an den Besserverdienenden und der Pharmabranche orientieren wird.
Gesundheit betrifft jeden. Und weil auf diesem Feld besonders gern Ängste geschürt werden, ist Rösler in der Gefahr, von der Opposition zum Buhmann aufgebaut zu werden. Oder, was noch schlimmer wäre, zum Vollstrecker einer kalten Gesundheitspolitik. Und so endet kaum eine Rede, in der er nicht den Satz fallen lässt, er fühle sich in allererster Linie den Menschen verpflichtet. Was er noch zu beweisen hat.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,674549,00.html