Dienstag, 20. April 2010

Arte-Doku über den «gefährlichsten Mann Amerikas»


Daniel Ellsberg bei der Verleihung des Right Livelihood Award in Stockholm (Archivfoto vom 06.12.2006)(Foto: dpa)

Hamburg 20.04.10 - Er wurde als Held gefeiert und als Verräter geächtet. Henry Kissinger bezeichnete ihn als «gefährlichsten Mann Amerikas». Daniel Ellsberg brachte 1971 geheime Dokumente und damit die Wahrheit über den Vietnamkrieg an die Öffentlichkeit.

Schwer angeschlagen von dieser Affäre taumelte US-Präsident Richard Nixon in den Watergate-Skandal. Im August 1974 trat er zurück. Neun Monate später endete der Krieg am Mekong.

Ellsberg ist als einer der politisch bedeutendsten «Whistleblower» in die Geschichte eingegangen. So nennen die Amerikaner Menschen, die Hinweise über Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Judith Ehrlich und Rick Goldsmith haben aus seiner Geschichte die 91 Minuten lange Dokumentation «Der gefährlichste Mann in Amerika - Daniel Ellsberg und die Pentagon-Papiere» gemacht - der Kultursender Arte zeigt sie an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) erstmals im deutschen Fernsehen. Der Film war in diesem Jahr für einen Oscar in der Kategorie «Dokumentarfilm» nominiert.

Der heute 79-jährige Ellsberg, seine Frau Patricia und sein Sohn erzählen in dem Film über den Skandal, der die Welt in Atem hielt. Als Zeitzeugen kommen sein «Mitverschwörer» Tony Russo, der Historiker Howard Zinn, Journalisten, Juristen sowie die Watergate- Beteiligten Egil «Bud» Krogh und John Dean zu Wort - und schließlich Nixon selbst, in selten gesehenen Interviews und durch seine eigenen geheimen Tonbandaufnahmen aus dem Weißen Haus.

Ehrlich und Goldsmith bereiten sehr spannend auf, wie aus dem Kommunistenfeind Ellsberg ein erklärter Kriegsgegner wurde. Der Film beginnt im August 1964 an Ellsbergs erstem Arbeitstag im Pentagon. Die Meldungen über beschossene US-Kriegsschiffe vor der vietnamesischen Küste überschlagen sich. Ellsberg wird unter Verteidigungsminister Robert S. McNamara zu einem der führenden Kriegsplaner. Nach und nach geht nicht nur ihm auf, dass die Angriffe der Vietnamesen erfunden sind: «Es wurde bewusst gelogen. Wir wussten es und haben das Geheimnis gehütet, ich inklusive», erinnert er sich.

Zwei Jahre wird Ellsberg als ziviler Mitarbeiter des Außenministeriums in Vietnam stationiert. Ihm wird klar, dass die USA diesen Krieg nicht gewinnen können, gleichzeitig wächst sein Ekel vor den Gräueltaten. Er entschließt sich zu der Tat, die sein Leben verändert, und spielt eine streng geheime, 7000 Seiten umfassende Studie über die Wahrheit im Vietnamkrieg der «New York Times» in die Hände. Danach taucht er mit seiner Familie unter - verfolgt von der US-Bundespolizei FBI.

Während die Regierung schwere juristische Geschütze auffährt, verteilt Ellsberg aus dem Untergrund das Material an weitere Blätter. Die Enthüllungsmaschinerie ist nicht mehr aufzuhalten. «Es war, als wollte man Bienen in Schach halten», erinnert sich ein damals beteiligter Anwalt. Als Ellsberg sich als Sicherheitslücke im Pentagon bekennt, wird er gefragt, ob er keine Angst vor dem Gefängnis hat. Er antwortet mit einer Gegenfrage: «Und wenn ich dadurch helfe, einen Krieg zu beenden?»

Ellsberg muss in dieser Zeit gelitten haben, denn abgesehen von Anfeindungen höchster Politiker - Nixon nannte ihn «Hurensohn» und «Dieb» - mieden ihn plötzlich sogenannte Freunde. Der «Verräter» zeigte Rückgrat, doch darüber hinweggekommen ist er nicht. Er habe seine Freiheit aufs Spiel gesetzt für eine Sache mit ungewissem Ausgang. «Leider lernt man dabei etwas über seine Mitmenschen, das man eigentlich gar nicht wissen will: dass sie zuhören, daraus lernen, es sogar verstehen und es dann aber weiter ignorieren.»

Gemeinsam mit Russo kam er vor Gericht, doch sämtliche Anklagen - Ellsberg drohten 115 Jahre Haft - wurden fallengelassen, und der Kongress beschloss, die Gelder für den Vietnamkrieg zu streichen. Neun Monate, nachdem Nixon einem Amtsenthebungsverfahren mit seinem Rücktritt zuvorgekommen ist, ziehen die Amerikaner 1975 aus Vietnam ab. Zwei Millionen Vietnamesen und 58 000 amerikanische Soldaten haben in dem Krieg ihr Leben gelassen.

Ein Antikriegs-Aktivist ist Ellsberg geblieben: Bis heute wendet er sich in Vorträgen beispielsweise gegen das Vorgehen der Amerikaner im Irak oder in Afghanistan. 2006 bekam er den Alternativen Nobelpreis für sein Verdienst, «Frieden und Wahrheit» den Vorrang einzuräumen.

http://www.ivz-online.de/aktuelles/kultur/medien/1306554_Arte_Doku_ueber_den_gefaehrlichsten_Mann_Amerikas.html