Freitag, 16. April 2010

Nach Vulkanausbruch: Aschealarm – Fällt jetzt der Sommer aus?


16. April 2010 -Der gewaltige Vulkanausbruch in Island wirft viele Fragen auf. Mancher befürchtet bereits, dass sich das Wetter durch die Wolke verändern könnte und der Handyempfang gestört wird. WELT ONLINE gibt Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen zu diesem Naturphänomen und seinen Folgen.


 1. Wieso ist Vulkanasche für Flugzeuge so gefährlich?

Die winzigen Staubpartikel sind außerordentlich hart. Treffen sie mit großer Geschwindigkeit auf ein Flugzeug wirken sie quasi wie ein intensives Sandstrahlen. Sie können zum einen die sehr empfindlichen, rotierenden Triebwerksblätter zerstören und so Triebwerksausfälle verursachen, die sogar zum Absturz der Maschine führen können. Die Mikropartikel zerkratzen aber auch die Scheiben des Cockpits so sehr, dass die Sicht der Piloten stark behindert wird. Und sie können die sensiblen Geschwindigkeitsmessfühler (Staudrucksensoren) am Flugzeug beschädigen oder gar verstopfen, so dass die Geschwindigkeit des Jets nicht mehr erfasst werden kann. Die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO warnt, dass die extrem feine Asche auf normalen Wetterradars von Flugzeugen – anders als Wolken – nicht zu erkennen ist. Aschewolken können zudem Hunderte von Kilometern lang sein. Boeing empfiehlt betroffenen Piloten deshalb eine Wende um 180 Grad: Die Hoffnung, die Wolke sicher gleich wieder zu verlassen, sei falsch.

2. Sollten die Deutschen in den kommenden Tagen Tür und Fenster geschlossen halten – oder sogar einen Mundschutz tragen?

Nein, in Deutschland besteht kein Gesundheitsrisiko. Gefährlich ist die Staubwolke für Menschen in der Umgebung des Vulkans – da, wo Partikel direkt in großer Konzentration vorhanden sind. In Mitteleuropa schwebt die Staubwolke in sieben bis zehn Kilometer Höhe, so dass Menschen am Boden nicht mit ihr in Kontakt kommen oder doch nur in so winzigen Konzentrationen, dass sie gesundheitlich nicht relevant sind

3. Woraus besteht die Asche eigentlich?

Es ist keine Asche im herkömmlichen Stil, also keine organischen Verbrennungsrückstände. Vulkanasche besteht aus feinen Gesteinspartikeln: Kristalle, glasartige Mineralpartikel, Gesteinsfragmente. Die Teilchen, die mit dem Wind von Island bis nach Mitteleuropa getragen werden, sind zwischen einem Zehntel- bis Tausendstelmillimeter groß.

4. Wann ist die Wolke wieder weg, und damit das Flugchaos?

Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Erstens weiß niemand, wie lange der Gletscher-Vulkan Eyjafjallajökull spucken wird, andererseits hängt vieles stark von den Windverhältnissen der kommenden Tage und Wochen ab. Es wird auf jeden Fall mehrere Tage dauern, bis der Betrieb wieder normal läuft. Der gegenwärtig in der Luft schwebende Staub wird in wenigen Tagen „verflogen“, also verteilt, verdünnt und vom Regen ausgewaschen sein. Die Frage bleibt: Geht die Vulkanaktivität weiter? Vulkanologen haben aber keine Vorhersagemöglichkeiten. In Island fürchten Geologen, der unter einer Eisschicht liegende Vulkan Katla könnte durch die aktuellen Eruptionen „geweckt“ werden. Die Folge wären starke Überschwemmungen und explosionsartige Stöße.

5. Beeinträchtigt die gigantische Wolke das Handynetz?

Nein. Erstens befinden sich die Partikel in zu großer Höhe für das bodennah operierende Mobilfunknetz, zweitens sind sie nicht elektrisch leitfähig und damit für die Handywellen quasi unsichtbar.

6. Fällt unser Sommer jetzt aus?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt: nein. Es gibt auch keine Klimaänderung. Das gilt allerdings nur für den Fall, dass die Aktivität des isländischen Feuerbergs nicht länger anhält und sich verstärkt. Es gab aber in der Tat „Jahre ohne Sommer“ und mehrjährige Phasen mit weniger Sonnenschein, niedrigeren Temperaturen, Ernteausfällen und Hungersnöten. Als etwa 1815 der Vulkan Tambora in Indonesien explodierte und Hunderte Milliarden Tonnen Staub in die Atmosphäre geschleudert wurden, legte sich ein Schleier um die Erde, gab es im Sommer Nachtfröste, Unwetter und katastrophale Missernten.

7. Welche Ansprüche haben vom Flugverbot betroffene Passagiere?

Von Stornierungen Betroffene können von ihren Fluggesellschaften den kompletten Ticketpreis inklusive Steuern und Gebühren zurückfordern. Alternativ haben sie einen Anspruch auf die kostenlose Umbuchung auf einen anderen Termin, so der Reiserechtler Holger Hopperdietzel. Schadenersatz, wie die EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 sie bei Annullierungen vorsieht, gebe es für Reisende dagegen nicht, da die Fluggesellschaften bei einer Sperre des gesamten Luftraums davon entlastet seien. Weitere Informationen zum Beispiel bei Lufthansa (Tel-Nr.: 01805-805805, 14ct./Min. aus dem deutschen Festnetz) oder Air Berlin (Tel.-Nr. 01805-737800, 14 ct./Min). Die Bahn könnte für Reisende eine kurzfristige Alternative zum Fliegen sein. Wer auf den Zug umsteigt, sollte jedoch viel Zeit mitbringen: Alle Verbindungen des Eurostar von Brüssel und Paris nach London waren für den heutigen Freitag bereits gestern ausgebucht.

8. Wie wirkt sich das Flugchaos auf die Wirtschaft aus?

Flugausfälle sind nach Angaben des weltweit führenden Rückversicherers Münchner Rück kein versicherbares Risiko. „Die Luftfahrtunternehmen müssen die Kosten selber tragen“, hieß es. Dies trifft vor allem British Airways sowie die Lufthansa-Tochter British Midland (bmi) besonders hart, da beide bereits mit Verlust fliegen und auf Europas größtem Drehkreuzflughafen London/Heathrow zuhause sind. Aber auch die Flugpläne der größten Billigfluggesellschaften Ryanair und Easyjet wurden kräftig durchgewirbelt. Bei Lufthansa und Air Berlin kam es gestern bis zum frühen Abend nur zu Annullierungen in geringem Umfang. Langstreckenflüge in Richtung USA sollten auf südlichere Atlantikrouten umgeleitet werden

. Aber nicht nur in Europa waren die Auswirkungen der Wolke tagsüber bereits merklich spürbar: Emirates musste seine Passagiere, die aus Afrika und Asien nach Großbritannien weiterfliegen wollten, in Hotels unterbringen. Gesellschaften in Asien wie zum Beispiel Singapore Airlines strichen ihren Abend- und Nachtflüge auf die britische Inseln und nach Nordeuropa und forderten ihre Passagiere per Website auf, nicht zum Airport zu kommen. Die Münchner Rück geht davon aus, dass die Aschewolke aus Island keine Auswirkungen auf Landwirtschaft und Industrie in Europa haben wird. Grund für die Annahme ist, dass die „Dichte der Wolke“ vergleichsweise gering ist. Der letzte Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinnen habe aber durchaus zu Millionen-Schäden in der Landwirtschaft geführt und sich negativ auf das Klima ausgewirkt.

9. Hat ein Vulkanausbruch schon einmal den Flugverkehr lahmgelegt?

Ja, zum Beispiel, als am 18. Mai 1980 der Mount St. Helens im Nordwesten der USA ausbrach. Der emporgeschleuderte Vulkanstaub ging über elf US-Bundesstaaten nieder. Der Flughafen von Portland (Oregon) musste geschlossen werden. In der Vulkanregion liefen Menschen noch monatelang mit Atemschutzmasken herum. Hunderte Quadratkilometer wurden durch den Staub zu Ödland und der Schaden wurde von Experten auf mehr als eine Milliarde Dollar geschätzt. Aus den vergangenen 20 Jahren sind außerdem 80 Vorfälle belegt, bei denen Flugzeuge durch Vulkanasche beeinträchtigt wurden. Zwei Boeings 747 mit jeweils fast 500 Menschen an Bord wären dabei nach Angaben von Experten fast abgestürzt, 20 weitere Flugzeuge erlitten Schäden mit Reparaturkosten von Hunderten von Millionen Euro.

10. Droht jetzt ein Feinstaubalarm in deutschen Städten?

Nein. Dafür ist die mögliche Konzentration den Staubs in Bodennähe viel zu gering. Es werden also nach wie vor eher Autos und Lastkraftwagen für den Feinstaub in der Atemluft verantwortlich sein.

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