von Werner Langmaack
Die Hamburgerin Sabrina Lutz ist Deutschlands beste Kitesurferin. Von Dienstag bis Sonntag startet die 21 Jahre alte Studentin beim Weltcup vor Sylt. Nebenbei träumt sie vom eigenen Mode-Label
Sie hat Tricks, Sprünge und Figuren drauf, wie sie zumindest in Deutschland kaum eine Konkurrentin beherrscht. Wenn Sabrina Lutz einen guten Tag erwischt und zuvor ausreichend Zeit zum Training hatte, dann ist die Hamburgerin Deutschlands Beste in der Disziplin Kitesurfen. Dabei lassen sich die Sportler von einem Drachen über das Wasser und durch die Luft ziehen, währenddessen sie zum Teil akrobatische Drehungen des Körpers vollführen. Hohe Sprünge und weite Flüge - Kitesurfen ist eine Sportart, die die Zuschauer am Strand als Attraktion schätzen.
Sabrina Lutz hat einen deutschen Pass, weil sie hier geboren ist. Ihre Mutter ist Vietnamesin, Vater Klaus "halb Italiener, halb Österreicher", wie die Tochter sagt. Dass sie an einem Drachen hängend waghalsige Kunststücke vollbringt, erklärt sie so: "Ich bin von Haus aus ziemlich mutig, das habe ich meinem Vater zu verdanken. Weil er selbst begeisterter Hobbysportler ist, nahm er mich früh mit zum Skateboarden, Eishockey und Fußball. Puppen wurden erst gar nicht angeschafft."
Ihre Eltern sind geschieden, Sabrina wuchs beim Vater auf. Gemeinsam zogen die beiden von Düsseldorf nach Hamburg, als sie gerade vier Jahre alt war. Das Wind- und Kitesurfen probierte erst der Vater aus, ehe die Tochter nachzog: "Wir haben immer viel Zeit am Strand verbracht", erinnert sich die inzwischen 21-Jährige.
Das ist noch immer so, wobei sich die Akzente leicht verschoben haben. Heute ist es für sie nicht immer das reine Urlaubsvergnügen am Wasser, sondern oft harte Trainingsarbeit. Erschwerend kommt hinzu, dass die Übungsmöglichkeiten für Kitesurfer begrenzt sind, sofern sie den Sport nicht hauptberuflich ausüben und dazu noch in einer Großstadt leben. Sie müssen sich Wochenenden freischaufeln, umständlich und stauanfällig ans Meer fahren und dazu hoffen, dass die Witterungsbedingungen stimmen. Mitunter ist das nicht der Fall, doch darüber kann Sabrina Lutz lachen: "Kürzlich bin ich bei schönstem Wetter an die Ostsee gefahren. Aber es kam einfach kein Wind auf. Da habe ich dann drei Tage lang Rechnungswesen gepaukt."
Obwohl sie betont, dass sie "die Leichtigkeit und die Coolness in der Surferszene" schätzt, lebt sie selbst nicht unbedingt danach. Lutz studiert an der Young Academy in der Hamburger Uhlandstraße Mode- und Textilmanagement, grob skizziert eine Mixtur aus BWL und Modezeichnen. Das Studium ist nicht nur vielschichtig, sondern auch arbeitsintensiv, aber das störe sie nicht, sagt Lutz, denn sie hat ein konkretes Ziel im Kopf: "In zehn Jahren will ich meine eigene Chefin sein." Und: "Ich möchte später ein eigenes Label haben." An Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit mangelt es der ausgesprochen anmutigen jungen Frau nicht. Auch Modeschöpfer Karl Lagerfeld stammt bekanntlich aus Hamburg. Findet sie ihn bewundernswert, oder ist er ihr einfach zu alt? "Nein, ich habe seine Biografien fasziniert gelesen und finde schon, er sticht heraus. Lagerfeld ist eine echte Ikone." Der Mann mit Sonnenbrille und Zopf hat von sich einmal behauptet, er besitze keinerlei Ehrgeiz. Das sieht bei Sabrina Lutz ganz anders aus: "Also, verlieren kann ich überhaupt nicht gut." Dabei dauerte es eine Weile, ehe sie einmal mitbekam, wie es sich anfühlt, besiegt zu werden. Jahrelang war sie in Deutschland einsame Spitze. Dreimal hintereinander wurde sie nationale Meisterin. In diesem Jahr hat sie auf der inländischen Tour mit Anne Valvatne aber eine ernst zu nehmende Konkurrentin bekommen. Ihr unterlag sie vor Dahme und vor Büsum sogar in ihrer Lieblingsdisziplin Freestyle. Mit diesen Niederlagen konnte Sabrina Lutz anfangs nicht gut umgehen, protestierte, lamentierte und mochte sich mit der Bewertung durch das Kampfgericht nicht abfinden: "Auch die anderen Mädchen fanden, dass ich falsch be-notet wurde."
Inzwischen hat sie die veränderte Situation akzeptiert und gedanklich Konsequenzen gezogen: "Ich muss halt an mir arbeiten, damit die Jury in Zukunft keinen Interpretationsspielraum mehr hat, wer besser war. Das muss eindeutig ich sein."
Beim Weltcup vor Sylt, bei dem von Dienstag bis Sonntag um insgesamt 30 000 Euro an Preisgeldern gekämpft wird, geht es weniger um Punkte. Für die deutsche Serie zählen die Resultate ohnehin nicht, und auf der Welttour wird die Hamburgerin mangels Zeit ansonsten nicht starten. Dabei stehen die Chancen nicht einmal schlecht. Das Revier vor Deutschlands beliebtester Ferieninsel kennt sie aus dem Effeff. Ihr liegen die spezifischen Wind- und Wellenverhältnisse, ganz im Gegensatz zu den ausländischen Spitzenkiterinnen. Viele dieser Mädchen sind angenehmere Temperaturen und milder schwappendes Wasser gewohnt. Schon im vorigen Jahr unterlagen sie daher bei der Weltcup-Premiere in Westerland gegen zwei Deutsche, was an anderen Stränden auf dem Globus nicht so häufig geschieht.
Sportlich ernst wird es für Lutz Mitte August. Dann geht es vor Fehmarn um den Deutschen Meistertitel, den sie im Vorjahr hatte abgeben müssen, weil sie ihr Abitur machte. Und obwohl ihre Ausgangssituation nicht optimal ist, hat sie sich geschworen: "Zweite will ich nicht noch einmal werden."
http://www.welt.de/die-welt/vermischtes/hamburg/article8113447/Akrobatik-auf-und-ueber-den-Wellen.html